Was sind die Ziele der Geflügelzucht?

Bringt man diese Überschrift in die Frageform, so kann sie kaum objektiv beantwortet werden, – ist das einem „Insider“ überhaupt möglich? Die Antwort könnte lapidar ausfallen, man könnte ebenso ins Schwärmen kommen – vielleicht etwas hochgestochen – ins Philosophieren! Was ist daran sinnvoll oder wo beginnt der Unsinn? Wer kann zum Beispiel einem dafür völlig verständnislosen Zeitgenossen den Sinn des Briefmarkensammelns erklären? Hat alles überhaupt einen Zweck?
Im Grunde kann sich solches jeder nur selbst beantworten. Wir, die wir vom „Bazillus“ Rassegeflügelzucht befallen sind, können allenfalls unsere eigenen Beweggründe darlegen und natürlich aufklärend wirken!
Jeder braucht für seine Sache den Nachwuchs, so wie vergangene Züchter uns motiviert und gefunden haben. Im normalen Geschäftsleben hat kaum jemand ohne Werbung den nötigen Umsatz; jeder Händler lobt seine Ware!
Das erste Geflügel zieht 1982 in das Freilichtmuseum Detmold ein. Wilfried Detering, Dr. Ulrich Großbaum, Gärtnermeister Hanke

Das erste Geflügel zieht 1982 in das Freilichtmuseum Detmold ein. Wilfried Detering, Dr. Ulrich Großbaum, Gärtnermeister Hanke

Das erste Geflügel zieht 1982 in das Freilichtmuseum Detmold ein. Wilfried Detering, Dr. Ulrich Großbaum, Gärtnermeister Hanke

Obenan steht zunächst die Liebe zum Tier, die Verbundenheit zur Natur! Es kann eigentlich niemanden geben, der iese Eigenschaft nicht in sich trägt. Ein Vierteljahrhundert an technischer Revolution und Perfektion hat viel vom ursprünglichen Wesen des Menschen überlagert, zurückgedrängt oder abgestumpft; nicht abgetötet! Um des momentanen Vorteils wegen wurden sämtliche Sünden gedankenlos hingenommen! Fauna und Flora aber können ohne den Menschen herrlich und in Freuden existieren; umgekehrt geht nichts! Für eine Unzahl Pflanzen und Tiere leider schon zu spät, kommt langsam die „Götterdämmerung“.
Maschinen, Motoren und alle technischen Finessen sind Selbstverständlichkeiten geworden, regen niemanden mehr auf, der Reiz ist weg. Keiner kann das Rad der Geschichte urückdrehen, aber ein paar gute Seiten sind auch feststellbar. Eine davon ist die erheblich größere Freizeit, die sinnvoll ausgefüllt sein will! Die Möglichkeiten dazu sind mehr als vielfältig, manche aber auch einfältig! In jedem Falle nennt das jeder „sein Hobby“! Ich möchte die Steckenpferdreiter in zwei Kategorien einteilen. Um die eine, ohne große Kreativität und Eigeninitiative, sorgt sich schon wieder die Industrie – vorfabrizierte Technik ohne Ende! Die zweite Gruppe gewinnt mehr und mehr an Bedeutung, sie wendet sich dem Leben zu – der Natur. Unsere Beschäftigung mit dem Leiben heißt: Rassegeflügelzucht! Grundsätzlich ist sie in unseren Augen sinnvolle Freizeitbeschäftigung zum Zwecke der eigenen Freude und Erholung vom Alltagsstreß; es steckt aber auch noch etwas mehr dahinter!
Die unwahrscheinliche Rassen- und Farbenvielfalt des Geflügels ist nicht „von heute auf morgen“ entstanden; wir haben es hier mit einem teils in Jahrhunderten entstandenen und geformten Kulturgut zu tun. Ein wertvolles antikes Gemälde z. B. bleibt außer pfleglicher Behandlung ohne Eigenleistung immer das, was es ist. Lebende Tiere mit relativ kurzer Lebenserwartung, speziell die bestimmten Rasseeigenheiten, müssen jedoch Jahr für Jahr praktisch neu geschaffen, erhalten und verfeinert werden.
Bekanntlich stammen alle von Menschen erzüchteten Rassen von einer einzigen oder nur wenigen Wildformen dieser Art ab. Überläßt man die Tiere in der Partnerwahl sich selbst, entfällt sofort die Zuchtsteuerung und sie nähern sich mehr und mehr wieder den Urformen.
Über jede Zuchtrasse ist ein sogenannter Standard aufgestellt, in dem alle besonderen Merkmale, Vorzüge und auch Mängel festgehalten sind. Danach werden sie gezüchtet und auf Ausstellungen bewertet, prämiert oder verworfen – je nach Qualität.

Das erste Geflügel wird für die Reise nach Tansania ausgesucht. Bischof Waltenberg, Josef Mkama, Wilfried Detering

Das erste Geflügel wird für die Reise nach Tansania ausgesucht. Bischof Waltenberg, Josef Mkama, Wilfried Detering

Wie stellt man es nun an, daß man eine Rasse so und nicht anders erhält? Mit ganz großen Raritäten zum Beispiel beschäftigen sich im gesamten Bundesgebiet nur eine Handvoll Züchter. Wie kann der kleine Tierbestand auf Niveau gehalten und auf kleinster Basis stets regeneriert werden? Hier beginnt das Gebiet, wo die Schwierigkeiten beginnen. Zwar hält der weitaus größere Teil unserer Züchter seine Lieblinge nur so aus „Spaß an der Freud“, zieht die Nachzucht auf und kommt bis zu den mittleren Schauen zu ansehnlichen Auszeichnungen. Sollte es mal nicht mehr so klappen, wird einfach mal etwas zugekauft. Bei wem? Bei einem mit Nase und Händchen für die Zucht, dessen Ambitionen ein paar Etagen höher angesiedelt sind.
Unsere Ahnen haben ihre Rassen ohne genetische Grundkenntnisse geschaffen, mit Auge und Gefühl, haben Rückschläge hingenommen, neue Wege gesucht und gefunden. Die Entwicklung konnte auf diese Weise natürlich nur über größere Zeiträume zum Ziel führen. Auge und Gefühl braucht man heute zwar immer noch, wichtiger ist jedoch die Kenntnis bzw. richtige Handhabung der Genetik. Die meisten Erbgänge sind im Laufe der Zeit erforscht, sind feststehende Tatsachen. Wer sich darin auskennt, ist den anderen immer um die berühmte Nasenlänge voraus. Für den eigentlichen Züchter ist das „die Faszination“ an der Geflügelzucht schlechthin, wenn alles wie geplant klappt und die Erfolge dann zwangsläufig kommen. Nebenbei spart er da, wo andere evtl. nutzlos experimentieren, obendrein viel Zeit und Geld. Er hatte vorher ja fast alles berechnen können.
Die Quittung allen züchterischen Schaffens bekommt jeder spätestens im Herbst, wenn die hohe Zeit der kleinen bis internationalen Ausstellungen beginnt. Der friedliche Wettbewerb um die Krone der Zucht ist die sportliche Seite unseres Hobbys. Alte Hasen können ihre Trophäensammlungen durchaus mit denen prominenter Sportler vergleichen. Wer unter „Sport“ nur die eigene körperliche Ertüchtigung sieht, dem sei folgendes kurz entgegengehalten: Jemand, der außerhalb seiner vier Wände Tiere hegt und pflegt, ist zur täglichen Bewegung gezwungen, dem mäßigen „Trimmen“ ähnlich.
Nun kommt ein Punkt, der in der Öffentlichkeit selten mal entsprechend gewürdigt wurde, die Wirtschaftlichkeit! Sicher ist alles mehr unsere Liebhaberei, wir wollen auch nicht mit der Fleisch- und Eierleistung hausieren gehen. Für den Konsumenten ist es einfach selbstverständlich, daß Fleisch und Eier aus den bäuerlichen Betrieben kommen. Deren Zuchtmaterial kann aber nur bei höchster Leistungsveranlagung rentabel sein. Die wiederum ist nicht so einfach vom Himmel gefallen. Ausgangsbasis waren die Hochleistungsrassen aus der Rassegeflügelzucht. Und die stehen weiterhin in Hülle und Fülle zur Verfügung, trotz vieler sogenannter „Sportrassen“, die nur ihrer selbst wegen gezüchtet werden. Auch da kann also jeder auf seine Kosten kommen. Eier von „glücklichen“ Hühnern ist ja die neue Masche – sie kommt übrigens nicht aus unseren Reihen! Für den Tierfreund ist tiergerechte Haltung einfach selbstverständlich und wird schon immer praktiziert.

Zuchtanlage Wolfgang Zeuschner

Zuchtanlage Wolfgang Zeuschner

Geschmäcker sind verschieden“, sagt der Volksmund. Hat jemand erst einmal sein Herz an die Rassegeflügelzucht verloren – sein Geschmack wird stets befriedigt werden, die Qual der Wahl ist da wahrscheinlich schlimmer! Es bieten sich die mannigfaltigsten Formen an, ob groß oder klein, zu Lande, Wasser oder in der Luft, ganz zu schweigen von der Farbenpracht. Größe und Art der Haltungsmöglichkeiten können wohl die Rassewahl beeinflussen, sind ansonsten aber kein Hindernis, … man muß sie nur haben! Letzteres bereitet uns leider Kummer. Viele Tierfreunde möchten liebend gerne mitmachen, aber wo? Der Minister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten des Landes Nordrhein-Westfalen Hans-Otto Bäumer hat die Notlage erkannt und erstmalig 1980 einen ansehnlichen Betrag zur Errichtung von Gemeinschaftsanlagen für Kleintierzüchter bereitgestellt. Zum anderen sind Städte und Gemeinden zur Ausweisung von entsprechendem Gelände angewiesen worden.
Diese Förderung darf aber nicht dazu führen, die Kleintierzucht völlig aus den Wohnbereichen zu verdrängen. Kleintierzucht trägt wesentlich zur Verbesserung von Wohnfunktion bei und ist praktizierter „Menschenschutz“. Nach neuster Pressemeldung im Frühjahr dieses Jahres, ist vom Verwaltungsgericht Münster bei einem Geflügelhalter entschieden worden, nur einen Hahn auf dem Grundstück zu halten. Dieses Entscheidung ist für die bundesweite Organisation ein nicht hinnehmbares Urteil. Protestaktionen sind geplant.
Unser Kreis könnte größer sind! Ein Kreis von Gleichgesinnten, zusammengeführt durch die gemeinsame Liebe zur Natur, zum Tier, zum Rassegeflügel! Keine weltfremden Sektierer, sondern Freunde eines Hobbys, an dem auch die ganze Familie teilnehmen kann, die die Geselligkeit pflegen und wo „Kameradschaft“ kein leeres Wort ist. Schließlich müssen die Schauerfolge ja auch gebührend gefeiert werden!
Sollte es ihn tatsächlich geben, den „Sinn und Zweck der Rassegeflügelzucht“, so ist er zumindest in diesem kleinen Rahmen nicht annähernd erschöpfend zu erklären oder definieren. Ein paar Aspekte nur, die richtigste Antwort lautet wohl so:
Einfach mal ausprobieren!

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