Am 16.08.1875 machte ein Berichterstatter einen Gang durch den neuen Geflügelhof am Johannisberg. Die Anlage erstrahlte zwar noch nicht im vollen Glanz, ein Besuch lohnte sich jedoch allemal für die vielen Sommerausflügler. Die Stadt unterhalb des Johannisberges strahlte im hellen Glanz. Die auf dem oben Plateau fertigestellten Vogelvolieren und Kaninchenkäfige waren zweckmäßig gebaut und fanden großen Anklang. Alle Plätze waren bereits mit unterschiedlichen Geflügelrassen bevölkert. Der Berichterstatter zitiert in seinem Artikel einen Kenner des schönen Rassegeflügels, der ihm versicherte, daß sich in den Anlagen Hühnerrassen aufhielten, wie es sie schöner und reiner nicht gäbe. „Zuerst finden wir die Cochin-China, eine der größten Hühnersorten, diese sind sehr zahm und feine Brüter. Es schließen sich an die Italiener, wovon ein paar Kuckuckssperber da sind. Diese Hühner haben viel Ähnlichkeit mit unseren Landhühnem, nur sind sie schöner in Figur und haben große Kämme und gelbe Beine. Da Italiener nicht brüten und sich als die besten Leger bewährt haben, dürften sie unser Landhuhn bestimmt in nächster Zeit verdrängt haben. Die nun folgenden Spanier sind in unserer Gegend schon einige Jahre bekannt, obwohl so echte und schöne Tier, wie sie der GenügeIhof besitzt, hier in Bielefeld noch nicht gesehen worden sind. Die Holländer (schwarz mit weißer Haube) sind durch einen sehr schönen Stamm vertreten, ebenso findet sich ein Stamm schöner Landhühner in blaugrauer Farbe in der Anlage. Die dann folgenden Creve Coeur, sonst ein sehr schönes Huhn, präsentierten sich leider schon in der Herbstmauser. Die kleinen Hühner (Zwerghühner) waren durch die Goldbantams (Sebright) und englische Zwerghühner mit Küken vertreten (Zwergkämpfer), am Schluß der Abteilung für Hühner befand sich ein Stamm prachtvoller Dorking, von diesen war leider ein Huhn, wahrscheinlich durch den Transport, erkrankt. Die Dorking gehören zu den größten Hühnern und eignen sich besonders gut für die Mast, man findet in England Exemplare bis 12 Pfund schwer. Großer Zulauf bekam in der Anlage durch Kinder auch die Küken der Houdans und der großen asiatischen Malaien.
Auch in den Taubenvolieren waren schon einige schöne Paare zu sehen, außer einigen ungewöhnlichen Sorten sahen wir Schwalben, Mönchtauben, Eistauben, Lerchentauben, gelbe chinesische Mövchen, vierfarbige Almonds Tümmler und besonders herausstechende, prachtvolle schwarze, weiße und gesattelte Pfautauben. Große Begeisterung löste auch ein paar roter französischer Kropftauben von riesigem Umfang aus“.
Am 14.09.1875 wurde die Anlage offiziell der Öffentlichkeit übergeben. Alles, was Rang und Namen in der Stadt hatte, fand sich auf dem Johannisberg ein. Die Tageszeitungen gaben die Einladung des Geflügelhof-Vorstandes an die Bevölkerung weiter: „Eine neue Einrichtung in unserer Stadt ist in diesen Tagen vollendet worden, der sogenannte Geflügelhof auf dem Johannisberge, ein Stückchen, allerdings nur kleines und begrenztes, eines im Keime sprossenden zoologischen Gartens. Wie man uns mitteilt, sind die Vogelhäuser vollständig fertig und gefüllt mit seltenen Hühnerrassen, Tauben und verschiedenen Arten von Ziervögeln. Das schöne Wetter gibt doppelte Veranlassung, den Johannisberg jetzt fleißig zu besuchen. Der Eintrittspreis für den Geflügelhof beträgt für Erwachsene 25 Pfennig, für Kinder 10 Pfennig. Mit der Eröffnung wurde auch die landwirtschaftliche Ausstellung, an der sich der gesamte Kreis Bielefeld beteiligte, eröffnet. Für die ausgestellten Tiere wurde das neue Bethlehem und der Scheibenstand hergerichtet.“
Die Eröffnung des Geflügelhofes auf dem Johannisberg war 14 Tage zuvor die Einweihung der neuen Halle (Modersohnsche Stiftung) und der Rotunde vorausgegangen. Zur Einweihung spielte die verstärkte Bielefelder Kapelle, es wurde eine Festrede von Herrn Coesfeld gehalten. Der Abschluß wurde begleitet durch Böllerschüsse und ein Feuerwerk. Der Eintritt für diese Veranstaltung betrug 3 Silbergroschen und war von einfachen Bürgern nicht zu bezahlen.
Sehr früh erkannten die Geflügelfreunde in Bielefeld, daß die jährlich stattfindenden Ausstellungen und der Geflügelhof auf dem Johannisberg ein gutes Werbemittel für die Rassegeflügelzucht war. Wertvolle Ehrenpreis wie goldene und silberne Medaillen wurden gestiftet. Die Bewertung der Tiere sollte ausschließlich bewährten Preisrichtern vorbehalten bleiben. So kamen in den folgenden Jahren prominente Fachleute nach Bielefeld wie Oettel, Görlitz. Hugo du Roi, Braunschweig, L. Ehlers, Hannover, Julius Springer, Altenburg, Gustav Meyer, Minden und Adolf Mehnert, Goslar.
Der Verein für Geflügelzucht entwickelte sich innerhalb weniger Wochen neben dem Schützenverein zu einem der größten Vereine in Bielefeld. Das Jahr 1875 brachte eine Namensänderung für den mittlerweile 14 Jahre alten Verein, der fortan „Ravensberger Geflügelhof“ hieß. Bereits 1880 jedoch bei der zweiten allgemeinen Geflügelausstellung, heißt die Organisation wieder „Verein für Geflügelzucht für den Stadt- und Landkreis Bielefeld“.
Die erste allgemeine Geflügelausstellung in Bielefeld (13. – 15.05.1876) veranstaltet vom „Ravensberger Geflügelhof“ zählte damals zu den Großveranstaltungen in Deutschland. Über l .800 Tiere waren von Züchtern aus ganz Deutschland von der Nordseeküste, vom Bodensee und aus Ostpreußen, nach Bielefeld gebracht worden. Seine Durchlaucht Prinz Hermann zu Schaumburg-Lippe zeigte 1,1 braungelbe Cochin-Ghina, 1,1 Kreuzungshühner Landhuhn x Brahma, japanische Seidenhühner. braungraue Hausenten. Zu den Ausstellern gehörten so bekannte Persönlichkeiten wie Gustav Meyer, Minden; E. Geupel-White, Leipzig; L. Ehlers, Hannover: Heinrich Marten, Lehrte; Julius Springer. Altenburg und Xaver Biernapfl, München.
Vom Bielefelder Verein hatte August Oertmann eine bemerkenswert große Kollektion Hühner und Tauben ausgestellt, vor allem seine Brabanter und englischen Kropftauben waren sehr erfolgreich. Weitere erfolgreiche Bielefelder Züchter: Gottfried Heidsiek, Frau Wiegand, Carl Knemeyer, H.. W. König, C. Böckelmann, W. Bolbrinker, Gadderbaum, C. Peters, F. W. Wißmann, F. W. Lütgemeier, Theo Diekmann. Als Preisrichter waren verpflichtet: Deuyvene, de Witt, Velp, Holland, L. Ehlers, Hannover; Julius Springer, Altenburg; A. Mehnert, Goslar; Gustav Meyer, Minden: Carl Körte, Herford.
Geöffnet war die Ausstellung von 8 Uhr bis 19 Uhr. Der umfangreiche Ausstellungskatalog kostete 25 Pfennig. Wie uns unsere älteren Züchter erzählten, waren die Frühjahrsschauen auf dem Johannisberg Höhepunkte für Züchter aus ganz Westfalen. Züchter wanderten mit ihrer Familie den Berg hinauf, tauschten Erfahrungen und Erinnerungen aus und gewannen neue Züchter.
Für die Organisationsbestrebungen der wenigen deutschen Geflügelzüchtervereine hatte damals wohl kaum jemand Interesse, denn ein Antrag des hannoverschen Geflügelvereins zur Gründung eines Spezialverbandes aller nordwestdeutsche Geflügelvereine fand in Bielefeld keine Beachtung. Auch die Anregung, an einem einheitlichen deutschen Merkbuch mitzuarbeiten zur Bewertung der Tiere bei Ausstellungen, fand keine Beachtung. Vom 12. bis 14.06.1880 gab es auf dem Johannisberg die zweite große allgemeine Geflügelausstellung. Der Verein hatte sich inzwischen wieder einen anderen Namen gegeben und hieß jetzt „Verein für Geflügelzucht für den Stadt- und Landkreis Bielefeld“. Wegen seiner Verpflichtungen als Stadtverordneter und mit Rücksicht auf seine wachsenden Betriebe trat Hermann August Delius nach Jahren als Vorsitzender von seinem Amt zurück. August Oertmann wurde sein Nachfolger. Der Verein hatte im Jahre 1880 exakt 102 Mitglieder, an der zweiten Ausstellung beteiligten sich wieder Züchter aus allen Teilen Deutschlands. Aus Bielefeld waren die erfolgreichsten Züchter: C. Mrosk, Turnlehrer Müller, R. Spengler, Gottfried Heidsiek, F. von Laer, Kreistierarzt Baldewein, Hermann August Delius und August Schlüter. Die meisten Tiere zeigte August Oertmann.
Der Vorstand des Vereins setzte sich in diesem Jahr aus folgenden Mitgliedern zusammen: August Oertmann, August Schlüter, F. W. Lütgemeier, G. Mrosk, R. Niemann, E. Buddeberg, Th. Büscher, Th. Starckloff, Schaefer und H. Schäfer.